Ecommony
[alle Artikel der Broschüre Ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück]Die neue Diskussion um Commons greift auf Verständnisse zurück, die unserem Eigentumsbegriff vorhergingen – und macht diese für gesamtgesellschaftliche Visionen einer Zukunft solidarischen Wirtschaftens fruchtbar. Commons ist zunächst das englische Wort für Allmende – im Deutschen ist da das Bild der Wiese im mittelalterlichen Dorf im Kopf. Tatsächlich gehörten damals sämtliche Ländereien den Dorfgemeinschaften; Privateigentum an Grund und Boden war unüblich. Diese Flächen wurden zu Beginn der Neuzeit von den Herrschern angeeignet, was durch die damit verbundene Trennung der Menschen von ihren Lebensgrundlagen zur ‚Freisetzung‘ des Industrieproletariats führte.[1]
Doch was Commons sind, ist letztlich eine Frage dessen, was wir normal finden. Das gilt für die ‚natürlichen Commons‘: Noch finden wir es weitgehend normal, in Gewässern baden zu können – in Brandenburg beispielsweise aber droht den Seen die Privatisierung; beim Wandlitzsee ist es schon geschehen. Die Folge: Anleger_innen kann mit einem Zaun der Zugang zum Wasser versperrt werden, Stegbesitzer_innen müssen plötzlich Pachtgebühren aufbringen, eine Gemeinde muss für eine Badestelle mit Rutsche sogar 50.000 Euro im Jahr an den Eigentümer zahlen.
„wie viel die Erde produzieren muss für einen Dollar Gewinn unseres Unternehmens”
Umgekehrt finden wir die private Inbesitznahme von Commons normal: Ray Anderson, CEO des weltweit größten Herstellers von Teppichboden Interface, erzählt in dem Film ´The Corporation´, wie entsetzt er war, als er verstand, „wie viel die Erde produzieren muss für einen Dollar Gewinn unseres Unternehmens”. Auch die Patentierung von Biodiversität fällt unter die privatwirtschaftliche Aneignung von Commons – und damit verbundene ´Bestrafungen´ für das Verwenden traditioneller Reis- oder Kartoffelsorten sowie Heilpflanzen beziehungsweise die fälligen Gebühren beim Singen vieler Weihnachtslieder oder Geburtstagsständchen in Kindergärten oder gar auf youtube. Die Liste ließe sich nur allzu leicht verlängern.
Das alles sind im Vergleich zur Industriellen Revolution keine Lappalien. Jeremy Rifkin, Vorsitzender der Stiftung Economic Trends, schreibt in seinem Buch Access (2000), Zugang werde zum Prüfstein dafür, wie gerecht Handlungsmöglichkeiten organisiert seien, denn mit genügend materiellen Gütern im Umlauf mache Ausschluss keinen Sinn mehr. Somit befänden wir uns im Übergang von der industriellen zur ‚kollaborativen Revolution‘, also zur ‚Revolution des Gemeinschaftlichen‘; dies sei „einer der großen Wendepunkte der Menschheitsgeschichte“.
Dies wird besonders deutlich im Bereich der ‚virtuellen Commons‘: „Wer kennt Tim Berners-Lee?“, fragt die deutsche Commons-Expertin Silke Helfrich gerne. In der Regel niemand. „Wer kennt Bill Gates?“ In der Regel alle. Der Unterschied? Bill Gates privatisierte die (bei weitem nicht nur) von ihm entwickelte Software ms-dos; Tim Berners-Lee konzipierte das World Wide Web und stellte es kostenlos zur Verfügung. Hätte er das nicht getan, dann wäre unsere Welt heute eine andere.
Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um das Gemeinsame bzw. die Commons mehr als nur interessant: „Willkommen im Jahre null!“, beschreiben Michael Hardt und Toni Negri in ihrem Buch Common Wealth (2010) ihre kommunistische und euphorische Auffassung dessen, was Rifkin mit ‚kollaborativer Revolution‘ bezeichnet. Heutige Formen kapitalistischer Produktion und Akkumulation ermöglichen nicht nur eine Expansion des Gemeinsamen, sondern brauchen sie sogar, so ihre geteilte These, denn ökonomische Wertschöpfung sei nur noch auf der Grundlage der gesellschaftlichen Aneignung des Gemeinsamen durch horizontale Netzwerkformen möglich. Das kapitalistische Kommando werde hierfür immer hinderlicher, denn jeder Versuch einer externen Organisation störe: Die Multitude[2], wie Hardt und Negri es dann nennen, produziere nur dann effizient und entwickele nur dann neue Produktivkräfte, wenn sie das selbstbestimmt mit Hilfe ihrer eigenen Kooperations- und Kommunikationsmechanismen tun könne.
Ein Beispiel hierzu: Vor einiger Zeit wurde öffentlich, dass der Konzern IBM davon ausgeht, in Zukunft seine Beschäftigten überwiegend von Projekt zu Projekt aus einer weltweiten ‚talent cloud‘[3] auszuwählen – natürlich nur jene, welche keinen Schatten auf ihrer Bewertungsskala aufweisen, was die Depressionsrate sicher nicht senken wird. Von der dezentralen Produktionsweise her wäre dies der Entstehung freier Software nicht ganz unähnlich – IBM versucht also als zentralisierter Konzern dennoch die Vorteile dezentraler Produktion zu nutzen. Sowohl Hardt und Negri als auch Rifkin würden argumentieren, dass das ein vergeblicher Versuch ist, da die dezentrale Organisierung zunehmend konkurrenzfähiger ist. Rifkin betont in seinem neuen Buch Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus sogar, dass dies die Knappheit aufhebe und Güter und Dienstleistungen damit ihren Tauschwert verlören. Doch zumindest zeigt dieses Beispiel, dass das Argument, Produktion müsse selbst in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft großenteils zentralisiert stattfinden, sogar der kapitalistischen Gegenwart nicht mehr entspricht.
Damit ist das übliche Argument, wonach im virtuellen Bereich zwar beispielsweise kommerzielle Lexika wie The British Encyclopaedia von Wikipedia ‚auskooperiert‘ werden können (gedruckte Versionen werden eingestellt), bei materieller Produktion aber keine Konkurrenzfähigkeit bestehe, hinfällig. Ja, dies ist sowieso nur ein Scheinargument: Denn wenn auch gegen die Ausbeutung von Billigstlöhnen im globalen Süden nicht anzukonkurrieren ist, muss dies nicht bedeuten, dass eine solche Produktion an sich nicht möglich wäre. Tatsächlich entsprechen jüngere Ansätze alternativen Wirtschaftens in der ´realen´ Welt denselben Prinzipien wie der freien Softwareproduktion – das ergab sich für mich im Nachklang meines Buches Halbinseln gegen den Strom. Anders leben und wirtschaften (2009) über Ansätze alternativen Wirtschaftens im deutschsprachigen Raum.
‚Commons-based peer production‘ nennt der Harvard-Professor Yochai Benkler die Art und Weise, wie freie Software entsteht – denn freiwillige Produktion unter Gleichen vermag die auf den homo oeconomicus[4] gestützte Wirtschaftstheorie nicht zu erklären. ‚Peer‘ oder ‚peer-to-peer‘ steht für Beziehungen unter Gleichrangigen. ‚Peerproduktion‘ beschreibt gemeinsames Tätigsein, ohne dass es eine hierarchisch gegliederte Organisierung gäbe oder Geldbeziehungen eine Rolle spielten. Peer-Produzenten handeln aus Vergnügen, aus Leidenschaft oder aufgrund des Wunsches, etwas Nützliches zu tun und der Community etwas zurückzugeben, wie Untersuchungen zeigen[5].
Da die von mir untersuchten Beispiele alternativen Wirtschaftens Aspekte der gesamten Ökonomie umfassen, möchte ich mit dem Begriff ‚Ecommony‘ ausdrücken: Es handelt sich um eine solidarische und ökologische Wirtschaftsweise, die auf dem Prinzip der Commons beruht und dessen Prinzipien gesamtgesellschaftlich gedacht werden können. Was das konkret heißt, wird sich stets neu entwickeln müssen; es sind Leitgedanken.
Besitz statt Eigentum
‚Besitz statt Eigentum‘ lautet eines davon: Bei Commons zählt nicht abstraktes Eigentum, sondern wer was tatsächlich braucht und gebraucht. Mit anderen Worten: Wer in einer Wohnung wohnt, der besitzt sie auch. Bis 2011 galt dies in Kuba. Als gelebte alternative Ansätze finden sich in Deutschland und Österreich Offene Plätze, bei denen es keine Eigentümer_innen gibt. Das heißt nicht, dass jemandem das Zimmer von der nächstbesten Person weggenommen werden kann, denn dieses ist in Besitz genommen; das Zimmer kann aber auch nicht nach dem Weggang behalten oder gar vermietet werden.
Bedürfnisse sind nicht unendlich.
Reine öffentliche Güter, also nicht-rivale[6], wie die hierfür vielzitierten Deiche und Leuchttürme oder Radio- und Fernsehsender sind besonders geeignet für den freien Zugang; aber auch die sogenannten unreinen öffentlichen Güter, bei denen das Ausschlussprinzip ebenfalls nicht greift, jedoch eine Rivalität im Konsum besteht, wie Straßen und Wege, Wasserver- und Entsorgung oder allgemein Verkehrsmittel und Infrastruktur: Denn wären sie als Commons grundsätzlich für alle nutzbar, würden vielleicht die alten Eltern öfter besucht, aber dass Wege, Züge oder Abflüsse nur noch verstopft wären, davon ist nicht auszugehen. Bedürfnisse sind nicht unendlich.
‚Besitz statt Eigentum‘ kann sich aber auch auf Gegenstände beziehen. Beispielsweise Bücher: Öffentliche Bücherschränke, mal aus Holz, mal in Form zweckentfremdeter Telefonzellen oder Verteilerkästen, aus denen genommen und in die umgekehrt Bücher gestellt werden können, existieren inzwischen in vielen deutschen Städten. Demselben Gedanken entsprechen auf den Straßen aufgestellte ‚Giveboxen‘ mit Kleidung und jeder Art von Gegenständen: begehbare Schränke, die wie die rund
60 Umsonstläden in Deutschland[7] und Österreich[8] so als Orte zu verstehen sind, an denen Dinge nicht von Privateigentum in Privateigentum übergehen, sondern wo sie abgegeben werden, weil sie aus dem Besitz jener gefallen sind, die sie nicht mehr benutzen – und von anderen wieder in Besitz und Gebrauch genommen werden können. Kein Wunder, wenn es jemand manchmal gar nicht fassen kann: „Ich habe hier ein unabgeschlossenes Fahrrad gefunden. Ist das wirklich umsonst?“, hieß es auf einem Zettel an der Pinnwand einer Berliner Givebox; darunter eine Telefonnummer – für alle Fälle.
„Ich habe hier ein unabgeschlossenes Fahrrad gefunden. Ist das wirklich umsonst?“
Fällt etwas in diesem Sinne aus dem Besitz, sind Giveboxen, Umsonstläden oder öffentliche Bücherschränke mögliche Formen der Weitergabe. Doch während ein Krimi selten nochmals gelesen wird, werden gute wissenschaftliche Bücher ungerne weggegeben – hier empfielt sich eine Bibliothek als Form. Das Gleiche gilt für Werkzeuge; im kalifornischen Berkeley lassen auch sie sich wie in einer Bibliothek ausleihen. Oder sie werden in Nutzungsgemeinschaften sich gegenseitig zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus finden sich als alternative Ansätze ganze Offene Werkstätten, sei es zur Holz- oder Metallbearbeitung, als Fahrrad- oder Nähwerkstatt. Dies entspricht einer parallelen Nutzung im Gegensatz zur seriellen, also der Weitergabe von Gütern.
Doch selbst rivale Güter – Essen zum Beispiel – lassen sich mit Besitz statt Eigentum denken: Wenn wir mit Freund_innen oder in einem Projekt gemeinsam essen oder in einem Hotel frühstücken dann guckt niemand böse, wenn wir einen großen Appetit aufweisen. Doch selbst, wenn wir nur wenig zu uns nehmen, verstößt es eigentlich schon gegen die Regel, Essen mitzunehmen. Tun wir dies, weil wir wissen, dass wir erst etwas später Hunger bekommen, verstehen unsere Freund_innen das wahrscheinlich, die Hotelbesitzerin aber wird vermutlich ungehalten reagieren. Doch wenn das Essen bei uns vergammelt, ist es auch im Projekt blöd; und wenn wir es verkaufen würden, dann wäre es spätestens zum Eigentum geworden.
Teile, was du kannst
All dies kann auch mit dem zweiten Prinzip beschrieben werden: ‚Teile, was du kannst‘. Doch neben Ressourcen können dies auch Fähigkeiten sein, beispielsweise Initiativen, die skill sharing betreiben, das heißt Bildung und Wissen miteinander teilen. Oder aber jede Form von Dienstleistungen oder produktiver Tätigkeit. Das Prinzip wird unter anderem in Nutzungsgemeinschaften praktiziert, sozusagen Tauschringen ohne Aufrechnung: „Dafür muss man im Kopf erst mal Grenzen öffnen“, erinnert sich Marie an ihre Anfangszeit bei Gib&Nimm in Wuppertal. Getauscht werden Bügeln und Wohnungen renovieren, Fernseher reparieren und Kuchen backen, ein Kind unter der Woche bekochen und vieles mehr. Einen Überblick hat niemand, da es ja keine Buchführung gibt.
Beitragen statt Tauschen
Dies geht über in das dritte Prinzip: ‚Beitragen statt Tauschen‘. Statt die eigenen Fähigkeiten vermarkten zu müssen, wird aus einem Bedürfnis heraus gehandelt. Beispiele sind neben der freien Software nichtkommerzielle Produktion überhaupt: Sei es eine Hofgemeinschaft, die ihre Ernte ohne Geld und Tauschlogik abgibt[9]; sei es eine Backgruppe, die das von dort erhaltene Getreide in Brote verwandelt auf die gleiche Weise weiterreicht[10]. Eine Heilpraktikerin aus einer ebensolchen Naturheilpraxis begründet dies nicht mit Altruismus[11], sondern mit ihrer Vorstellung von tätig sein: „ohne finanziellen Druck für mich, sondern so, wie ich es am richtigsten finde. Statt mich immer toll darstellen zu müssen, kann ich mich der eigentlichen Arbeit widmen.“[12]
Diese Prinzipien können sich auf alle Tätigkeiten erstrecken – die produktiven wie die reproduktiven[13], und nur so wird das Dilemma, letztere entweder zu privatisieren oder aber Rationalisierungsdruck und Entfremdung[14] auszusetzen, aufgehoben.
Welchen Grund also sollte es geben, bei der Produktion eine Logik anzuwenden, welche private Aneignung sowie Ausbeutung[15] ermöglicht? Abgesehen vom Menschenbild kommt es zur ‚Tragödie der Allmende‘, also der Übernutzung eines Commons, doch nur, wenn eine Privatwirtschaft existiert, die erlaubt, die über den eigenen Bedarf angeeigneten Ressourcen in Geld zu verwandeln und als solches anzuhäufen. Als commonsbasierte (oder, wie Silke Helfrich betont, wäre besser zu sagen: als commonsschaffende) Peerproduktion ergäbe sich gesamtgesellschaftlich ein möglichst offener Zugang zu Ressourcen und die selbstbestimmte, intrinsische[16] Motivation, tätig zu werden. Um die gesamtgesellschaftliche Perspektive zu betonen, spreche ich im Wortspiel mit ‚Economy‘ von ‚Ecommony‘.
„ohne finanziellen Druck für mich, sondern so, wie ich es am richtigsten finde. Statt mich immer toll darstellen zu müssen, kann ich mich der eigentlichen Arbeit widmen“
Gelebte Beispiele zeigen, dass diese Prinzipien auch jenseits geschlossener Gruppen mit ausgewählten und ausschließlich bewusst handelnden Mitgliedern irgendwie klappen – wenn auch sicher nicht perfekt. Hardt und Negri schreiben zurecht, Revolution sei ein langer Transformationsprozess, der für eine neue Menschheit sorge. Auch verweisen sie darauf, dass wir alle mit dem Kapital, dem Patriarchat und der weißen Dominanz verwoben sind, dass wir alle komplizenhaft in die Identitäten, Hierarchien und Korrumpierungen der gegenwärtigen Machtformen verstrickt sind[17]. Zwar seien uns Menschen die voll ausgebildeten Fähigkeiten, eigenverantwortlich zu handeln, Konflikte zu lösen und dauerhafte, beglückende Beziehungen einzugehen, nicht angeboren, aber in uns allen stecke das Potenzial zu all dem. Hardt und Negri sprechen nicht nur von einer Ökonomie, sondern auch von einer ‚Ökologie des Gemeinsamen‘; dies sei eine Ökologie,in deren Mittelpunkt gleichermaßen Natur und Gesellschaft in dynamischer Interaktion im Sinne von gegenseitiger Sorge und wechselseitiger Veränderung stehe. Dies gilt auch für die Beziehungen zwischen den Menschen: Eine Ecommony beruht auf struktureller Gemeinschaftlichkeit. Das heißt nicht, dass wir uns alle lieben müssen – so wenig wie wir uns im Kapitalismus, der auf struktureller Konkurrenz beruht, hassen müssen. Doch während im Kapitalismus das Ergebnis manchmal so ist, als hassten wir uns (wenn wir uns freuen, bessere Noten oder mehr Geld als andere zu haben etc.), und schlimmer noch, als bedeuteten uns die anderen gar nichts (wie sonst sind all die Hungertoten täglich zu verstehen?), so bedeutet strukturelle Gemeinschaftlichkeit, von der Tätigkeit der anderen zu profitieren, statt von deren Ergebnissen strukturell ausgegrenzt zu werden. Warum denn ist das Streben nach ‚positional goods‘ (Güter, mit denen der eigene Status erhöht werden soll) so stark, warum bezeichnen 60 Prozent der US-Amerikaner_innen es als wesentlich für ihre Zufriedenheit, deutlich mehr als der Durchschnitt zu verdienen? Nicht, weil wir uns an den Dingen erfreuen, sondern weil wir nach Anerkennung verlangen. Hardt und Negri schreiben: „Freude ist in Wirklichkeit das Ergebnis freudvoller Begegnungen mit anderen“; doch es geht weiter: „von Begegnungen, die unsere Fähigkeiten steigern“. Dies als Produktion, Reproduktion und Konsum, kurz: als Ecommony des Gemeinsamen zu institutionalisieren, ist das beste Antidepressivum.
Fußnoten
- 1. Christian Siefkes: Wie der Kapitalismus entstand,
http://keimform.de/2014/wie-der-kapitalismus-entstand/ - 2. In den deutschen Ausgaben der Werke von Hardt und Negri wird ‚Multitude‘ leider verkürzt mit „Menge“ übersetzt, was eine Verkürzung darstellt, denn in diesem Ausdruck wird auf die Vielfalt der Menschen angespielt.
- 3. Als ‚cloud‘ wird eine auf externen Servern gespeicherte Datenmenge bezeichnet; der Ausdruck talent cloud bedeutet, dass IBM aus permanenten Bewerbungen jederzeit auf die besten Talente für jede spezifische Aktion Zugriff hätte.
- 4. Der homo oeconomicus ist das in den Wirtschaftswissenschaften mal explizit, mal implizit gedachte Subjekt: ein Mensch, der sich stets für den eigenen Nutzen entscheidet. Dieser Nutzen hängt eigentlich von den individuellen Präferenzen ab, wird in der Regel jedoch mit Geld gleichgesetzt.
- 5. vgl. Himanen 2001
- 6. Wie ‚rival‘ ein Gut ist, gilt als Unterscheidung in drei Kategorien: ‚reine öffentliche Güter‘ weisen gar keine Konkurrenz im Konsum auf, da es unerheblich für den Nutzen ist, ob noch jemand anderes sich gerade am Leuchtturm orientiert oder ob auch die Nachbarin durch den Deich geschützt ist; ‚unreine öffentliche Güter‘ weisen eine begrenzte Konkurrenz auf: Sonntags morgens über leere Straßen fahren macht mehr Spaß als zur Rush Hour, aber es hindert nicht grundsätzlich am Gebrauch der Straßen; ‚rivale Güter‘ lassen sich dagegen nur einmal konsumieren, denn danach sind sie weg oder ihrer Funktion beraubt (kaputt).
- 7. Siehe auch Propaganda der Tat - Verschenkemarkt
- 8. Zur Praxis eines Umsonstladens in Wien siehe Die Schenke - Reflexionen über einen Kostnix-Laden in Wien und den Zwiespältigkeiten einer umsonst-ökonomischen Praxis
- 9. Siehe auch Initiativenhof Karl/a/shof
- 10. Siehe auch Die Rebäcka ...
- 11. Unter ‚Altruismus‘ wird das Gegenteil von Egoismus verstanden; auf der Argumentation, dass Menschen egoistisch und nicht altruistisch sei, baut die Rechtfertigung unseres Wirtschaftssystems auf. Doch handelt es sich aus Commons-Sicht um einen künstlichen Gegensatz: Den Umsonstladen aufräumen – ist das Egoismus (weil es mir Spaß macht und ich schicke Klamotten finde) oder Altruismus (ich tue es ausschließlich für die anderen)? Viele Tätigkeiten lassen sich nicht in diese beiden Extreme zuordnen.
- 12. Siehe auch Nicht-Kommerzialität im Gesundheitsbereich: die Friedelpraxis
- 13. Auch die Trennung in ‚produktiv‘ und ‚reproduktiv‘ ist als künstlicher Trennung anzuzweifeln; nehmen wir wieder als Beispiel, einen Umsonstladen aufzuräumen – täte dies eine Verkäuferin in einem Geschäft, gälte es als produktive Tätigkeit, da es dem Verkauf produzierter Kleidung dient. Tut sie es zu Hause, gilt es als reproduktiv, als jenseits des bezahlten Sektors geleistete Arbeit; und zudem, da diese Tätigkeit nicht etwas neu schafft, sondern einen Zustand erhält.
Auch Marx hat diese Tätigkeiten nicht besonders in den Blick genommen, da sie außerhalb der Fabrik stattfanden und nicht direkt in den Mehrwert einfließen; in seiner Analyse ‚reproduzieren‘ sie die ‚produktive‘ Arbeitskraft.
Reproduktive Tätigkeiten sind meistens repetitiv, also sich wiederholend und unspannend, sowie schlecht zu rationalisieren, also profitmäßig auszuschlachten, weshalb früher und auch heute noch tendenziell Frauen solche Arbeiten anheim fallen – offensichtlich gilt weibliche Arbeitskraft noch immer als weniger wertvoll. Und wo erkämpft wurde, dass das nicht mehr so ist, werden diese Tätigkeiten in der Mittel- und Oberklasse zunehmend Migrantinnen zugewiesen. - 14. Marx erkannte, dass Menschen sich in der Lohnarbeit durch das Fehlen einer eigenen, inneren Motivation an ihrer Tätigkeit (jenseits des Zwangs, sich ihren Lebensunterhalt ‚zu verdienen‘) tendenziell unglücklich fühlen; hierfür spricht er von ‚Entfremdung‘ (und im Zweifel wird diese Motivation zerstört durch den Umstand, dass diese Tätigkeit nicht frei gestaltet stattfinden kann, oder auch nur dadurch, dass sie scheinbar ausschließlich wegen der Belohnung und nicht wegen ihrer selbst getan wird).
- 15. Entgegen eines häufigen Missverständnisses meint Marx mit ‚Ausbeutung‘ nicht ‚schlechte‘ Arbeitsbedingungen, sondern die Tatsache, dass die Arbeit der Arbeiter_in mehr Wert für die Arbeitgeber_in schafft, als diese jener ‚entlohnt‘. Geht der Gewinn über einen als angemessen zu betrachtenden Unternehmerlohn hinaus, wie dies in kleinen Betrieben sein kann, kommt es auf diese Weise zur Akkumulation, also zu zunehmender Reichtumskonzentration.
- 16. ‚Intrinsisch‘ ist eine Motivation, wenn sie von innen kommt; unter ‚extrinsischer‘ Motivation versteht man eine Belohnung. Experimente u.a. am Max-Planck-Institut in Leipzig zeigen, dass Belohnungssysteme die intrinische Motivation auslöschen – sei es der Spaß am Zeichnen eines Bildes oder die Bereitschaft zu helfen.
- 17 . ausführlich hierzu: Habermann 2008
Leseempfehlungen:
- Habermann, Friederike (2009): Halbinseln gegen den Strom. Anders leben und wirtschaften im Alltag, hrsg. v.d. Stiftung Fraueninitiative, Königstein.
- Habermann, Friederike (2008): Der homo oeconomicus und das Andere. Hegemonie, Emanzipation und Identität, Baden-Baden.
- Hardt, Michael /Negri, Antonio (2010): Common Wealth. Das Ende des Eigentums, Frankfurt/ New York.
- Himanen, Pekka (2001): Die Hacker-Ethik und der Geist des Informations-Zeitalters, München.
- Rifkin, Jeremy (2000): Access. Das Verschwinden des Eigentums, Frankfurt/M.: Campus.
- Rifkin, Jeremy (2014): Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus, Frankfurt/M.
Autor*innenbeschreibung:
Friederike Habermann ist Volkswirtin sowie Historikerin und hat in Politischer Wissenschaft promoviert. Da sie schon als Studentin fasziniert von einem Philosophieprofessor erfuhr, der seine Stelle aufgab und in die Natur zog, hat sie die Phase der Universitätskarriere gleich übersprungen und lebt heute in einem Projekt im Wald bei Berlin. Dort widmet sie sich in Theorie und Praxis u.a. dem Thema Anders Wirtschaften.