Häufig gestellte Fragen
[alle Artikel der Broschüre Ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück] Um ganz grundsätzliche Fragen zu adressieren, die bei der Begegnung mit NK-Projekten / Ideen immer wieder auftauchen, gibt es in der Broschüre 4 Teile mit "häufig gestellten Fragen". Diese sind alle auf dieser einen Seite zusammenfasst.Was meint eigentlich Nicht-Kommerzialität?
Nicht-kommerziell Wirtschaften meint, dass die hergestellten Produkte/Dienstleistungen nicht über den Markt verkauft/getauscht werden. Menschen können unabhängig von ihrem Beitrag Güter verbrauchen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Wir bezeichnen das auch als Entkopplung von Geben und Nehmen.
Die Produktion von Gütern soll sich an den Bedarfen und Bedürfnissen der Produzierenden und Konsumierenden ausrichten. Sie stellt damit den Menschen in den Mittelpunkt, statt das Erwirtschaften von Profit. Dies macht andere soziale Bezüge möglich und notwendig.
Der Text Vorschlag für einen Wikipedia-Eintrag versucht diesen flirrenden Begriff ein wenig besser zu fassen. Im Kapitel Bedürfnisse & biographisches Gepäck werden die Chancen und Schwierigkeiten einer Bedürfnisorientierung näher beleuchtet - in den Texten
- Bedürfnis – und Prozessorientierung
- Zur Auseinandersetzung mit verinnerlichten Herrschaftsverhältnissen oder Stichprobe einer NK*Innerei
- Bedürfnisse statt Waren – geht das so einfach?.
Was heißt denn Entkopplung von Geben und Nehmen?
Die Sachen die wir produzieren oder organisieren geben wir grundsätzlich ohne Gegenleistung ab. Das heißt ich kann zwar Geld für den Anbau von Kartoffeln spenden oder bei der Ernte helfen, erwerbe aber dadurch keinen Anspruch auf die Kartoffeln. Und auch wenn ich nicht spende oder mithelfe, kann ich Kartoffeln bekommen.
Meint nicht-kommerziell nicht-profitorientiert?
Leider ist der Begriff nicht-kommerziell unscharf. Nicht-kommerziell meint, mit der Tauschlogik zu brechen. Das heißt, dass auch Vereine oder Organisationen, deren Wirtschaften nicht auf das Erzielen von Profit ausgelegt ist, trotzdem nicht in unserem Sinne nicht-kommerziell sind, wenn sie ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen oder nur mit Gegenleistung abgeben.
Zur Auseinandersetzung mit den verschiedenen Begrifflichkeiten und ihrer Verwendung gibt es den Text Begriffe.
Wäre alles nicht viel besser, wenn nur die großen Banken und Konzerne nicht so gierig wären?
Das Handeln der Akteure im Kapitalismus (egal ob Banken, kleine Unternehmen, Lohnarbeiter_innen) ergibt sich vorrangig aus den Gesetzen des Marktes und weniger aus der moralischen Unzulänglichkeit der Akteur_innen. Das meint, dass Konkurrenz und die Notwendigkeit am Markt zu verkaufen die Akteur_innen dazu bringt, Mensch und Umwelt auszubeuten. Insofern greift es zu kurz nur einzelne Akteure – auch wenn diese ganz offensichtlich viel Macht auf sich vereinen und von der kapitalistischen Wirtschaftsweise profitieren – zu kritisieren. Vielmehr agieren Alle im Kapitalismus nach dessen Tauschlogik und reproduzieren dadurch diesen selbst. Mit der Tauschlogik zu brechen, ist ein zentrales Anliegen von nicht-kommerziellem Wirtschaften.
In dem Artikel Welcher Bruch mit welchen Verhältnissen? wird abgeklopft, inwiefern solidarökonomische Projekte über das Bestehende hinausweisen.
Das Geld problematisch ist, okay, aber was ist das Problem am Tauschen?
Ein zentraler Grundpfeiler des Kapitalismus ist der Tausch. Ausführlich beschäftigt sich damit die theoretische Schule der Wertkritik.
Der Tausch prägt entscheidend die Beziehungen zwischen den Menschen. Sie stehen durch ihn in Konkurrenz zueinander, das Handeln wird ausgerichtet am Versuch einen eigenen Vorteil zu erzielen. Das Prinzip des Tausches führt zu einem ungleichen Zugang zu den Dingen, Ressourcen und damit Möglichkeiten. Der Tausch ist auch nicht ohne Eigentum zu haben, einem weiteren Grundpfeiler des Kapitalismus. Und eben darum versuchen nicht-kommerzielle Projekte ohne Tausch zu wirtschaften.
Auf die anderen zwischenmenschlichen Erfahrungsräume, die sich in diesen Projekten eröffnen, geht beispielsweise der Beitrag Wie(so) ich mich an die NKL ranrobbte ein.
Wie finanziert sich das eigentlich? Wie ist denn das mit dem Geld?
Die Finanzierung der Produktion wird gemeinschaftlich organisiert. Dies kann durch Spendenkampagnen, staatliche Transferleistungen oder klassisch kommerzielle Tätigkeiten (Lohnarbeit, kollektive Geldbeschaffungen) stattfinden. Wichtig ist die Entkoppelung beispielsweise der Spenden von einer etwaigen Nutzung von Gütern.
Mit den Fragen der Finanzierung beschäftigt sich das Kapitel Finanzierung oder der Ärger mit dem lieben Geld. In den Texten geht es um die Praxis der Entkopplung, die gemeinsame Geldbeschaffung und um die Probleme, die mit der Bezahlung von Projektbeteiligten auftauchen können.
Arbeitet ihr denn gar nicht?
Umgangssprachlich wird mit Arbeit vor allem Lohnarbeit bezeichnet. Hierbei ist die Sinnhaftigkeit des Tuns völlig unerheblich, wichtig ist nur, dass es bezahlt wird. In den Projekten ist es genau andersherum: Die Menschen sind vielfältig tätig ohne eine Bezahlung zu erwarten. Ein Thema ist dabei aber auch, wie die Wertschätzung für alltäglich notwendige Tätigkeiten aussieht, wenn es eben keinen Lohn dafür gibt.
Mit biografischen Implikationen zum Thema Wertschätzung beschäftigt sich der Text Zur Auseinandersetzung mit verinnerlichten Herrschaftsverhältnissen oder Stichprobe einer NK*Innerei.
Wie sieht es mit der Wertschätzung aus, wenn alles “verschenkt” wird?
Da Menschen im Alltag komplett in Tauschbeziehungen eingebettet sind, blicken Sie selbstverständlich auch auf Güter oder Dienstleistungen, die nicht-kommerziell erzeugt werden, als Waren. In einer warenförmigen Welt werden Sachen besonders wertgeschätzt, wenn sie sehr teuer sind. Im Umkehrschluss fehlt eventuell die Wertschätzung für nichtkommerzielle Güter, die es ja ohne Gegenleistung gibt.
Mit diesen Schwierigkeiten und Herausforderungen beschäftigt sich der Themenblock Spannungsfelder zwischen Konsument_innen und Produzent_innen .
Was motiviert euch eigentlich?
Die Motivationen sind sicherlich vielfältig. Zum Einen ist es motivierend Sachen zu tun, die wir selber als sinnvoll erleben, weil wir selbst oder Andere einen Nutzen daraus ziehen können. Zum Anderen wollen wir mit unseren nicht-kommerziellen Projekten Menschen irritieren und zeigen dass eine Welt ohne Tausch und Warenform denkbar ist. Auch ist es spannend auszuprobieren, inwiefern sich unser Tun und unsere sozialen Beziehungen verändern, wenn wir uns nicht am Markt orientieren.
Zu Fragen der Motivation gibt es in den Texten Propaganda der Tat - Verschenkemarkt und Nk und die Rettung der Welt subjektive Antworten.
Wer bekommt denn eigentlich die Kartoffeln?
Letztendlich ist die Verteilung der Produkte eine gar nicht so leicht zu knackende Nuss. Einerseits wünscht sich mensch eine möglichst breite Strahlkraft und Verteilung der Knollen. Auf der anderen Seite gibts den Aufwand der Vermittlung des Charakters der Produktion: Konsument_innen deutlich machen, dass es eben nicht eine stinknormale Knolle ist, die da auf ihrem Teller landet.
So hängt die Breite der Verteilung auch immer an der Motivation der Verteilenden. Im Prinzip kann jede_r diese Kartoffeln kriegen – aber ob sie den Weg zu ihr_ihm finden ist nicht gewiss und bedarf sicherlich einer beidseitige Initiative.
Der Text SISSI – SommerInfraStrukturSuperInitiative beleuchtet unter anderem die widerstreitenden Richtungen bei der Verteilung.
Was ist, wenn nicht Alle total ehrlich und solidarisch sind, sondern bloß ihren eigenen Vorteil suchen?
Sicherlich, die Idee nichtkommerziell zu wirtschaften basiert darauf, dass mensch sich nach seinen_ihren Fähigkeiten einbringt und – nach seinen_ihren Bedarfen und Bedürfnissen – handelt. Einerseits kann die persönliche Auseinandersetzung damit, was ich eigentlich wirklich zum Leben so brauche, eine sehr produktive Komponente haben. Andererseits hat die Bezugnahme auf die Bedürfnisse, die mensch in dieser Gesellschaft entwickelt auch immer Aspekte von angelerntem Vorteils-Suchen. In jedem Fall ist nicht-kommerziell tätig sein ein guter Spiegel für Eine_n selbst :-).
Dieses Thema wird im Kapitel Bedürfnisse & biographisches Gepäck ab breitgerollt - mit den Texten:
- Bedürfnis – und Prozessorientierung
- Zur Auseinandersetzung mit verinnerlichten Herrschaftsverhältnissen oder Stichprobe einer NK*Innerei
- Bedürfnisse statt Waren – geht das so einfach?
Wenn ihr nichts verkauft, das kann doch gar nicht funktionieren!
Es kommt ein bisschen darauf an, was funktionieren meint: einen geschlossenen Kreislauf? Nun in dem Sinne funktioniert der Kapitalismus nicht, denn Mensch und Natur werden rücksichtslos zum Zwecke der Kapitalvermehrung verwertet. Nur weil ich für ein Produkt Geld erhalte funktioniert noch nichts, bzw. wenn Projekte andere Geldflüsse wie Spenden, staatliche Transferleistungen oder Projektanträge benötigen, sagt das auch nichts über deren funktionieren.
Was in Bezug auf nichtkommerzielle Experimente funktioniert – oder eben auch nicht, damit befasst sich unter anderem Die Kartoffel ist im Weg? Zur Geschichte der NK-Kartoffel.
Was ist der Unterschied zu Charity-Projekten?
Sicherlich haben unsere nk-Projekte auch einen karitativen Charakter. Kein Mensch wird ausgeschlossen, weil sie* oder er* sich etwas von dem was wir produzieren oder organisieren nicht leisten kann. Aber unsere Projekte gehen darüber hinaus, wir wollen eine Alternative zum Kapitalismus entwickeln, ausprobieren und propagieren.
Eingehender befasst sich der Artikel Zur gesellschaftlichen Wirkung von NK-Projekten mit der Form von Politik von NK-Projekten. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Abgrenzungen zum Karitativen bietet das Zwiegespräch „Zwei machen sich Gedanken...“ Ein Gespräch über NK & Charity.
Wer kann sich das denn schon leisten “einfach so” zu produzieren und dafür keinen Lohn haben zu wollen?
Diese Frage ist tatsächlich eine knifflige. Auch wenn es mittlerweile Ansätze einer kollektiveren Finanzierung der Beteiligten gibt, ist die Teilhabe an solchen Projekten oft (noch) ein Zeichen für gewisse gesellschaftliche Privilegien. Neben dem notwendigen Geld für den eigenen Bedarf gibt es weitere zum Teil subtilere Zugangshürden, zum Beispiel ein gesicherter Aufenthaltsstatus, kulturelle Prägungen oder Bildungshintergründe.
Kritisch mit dem Komplex setzen sich beispielsweise die Artikel: Einschluss statt Ausschluss? - Diskriminierungssensible Zusammenarbeit jenseits von Öffnungsprozessen oder „So selbstverständlich“ oder Das Problem mit dem Geben und Nehmen auseinander.
Aber wem gehört das denn jetzt?
Niemandem oder auch Allen! Wir wenden uns gegen das Eigentum als weiteren Grundpfeiler des Kapitalismus. Land und Produktionsmittel sollen gemeinsam von überschaubaren aber offenen Gruppen genutzt und verwaltet werden. Hier sprechen wir von Commons. Und alles was produziert wird steht Allen zur Verfügung die dieses brauchen.
Dieser Gedanke wird in dem Text Ecommony weiter ausgesponnen.
Sind solche “antikapitalistischen” Projekte denn eigentlich nicht nur Praxislabore, die den Kapitalismus im Endeffekt reformieren?
Der Kapitalismus hat eine starke Tendenz alle dissidenten Strömungen zu integrieren und sich dadurch zu reformieren und zu modernisieren. Wir sind uns dieser Problematik bewusst und versuchen dem gegenzusteuern, im dem wir durch den radikalen Verzicht auf Eigentum und Tausch über den Kapitalismus hinausweisen wollen und eine Integration in diesen verunmöglichen. Aber gelingt uns das?
Der Sache auf den Grund geht unter anderem der Text Unsere NK-Projekte sind die Keimform einer utopischen Gesellschaft – sind sie das?.